Da spielen die Dropkick Murphys in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle das nach eigenem Bekunden größte Konzert in Deutschland überhaupt, und Sänger Al Barr ist krank. Der 44-Jährige hat’s mit der Stimme und tatsächlich, wenn er spricht, ist da noch mehr Reibeisen als üblich. Vorsorglich entschuldigt er sich. Bräuchte er nicht, denn nur wenn die Dudelsack-Punks einmal ruhigere Töne anschlagen, fällt auf, dass etwas anders ist als sonst.
Der Sohn eines Schotten und einer deutschen Mutter will sich nicht schonen. Hat er, wie er auf Deutsch gesteht, bereits zwei Konzerte der Tour gesundheitsbedingt absagen müssen, soll ihm das in Düsseldorf nicht passieren. Eines vorweg: Er hält 90 Minuten und rund 25 Stücke lang durch – das ganze Programm. Dabei tänzelt er leichtfüßig wie ein Boxer vorm großen Kampf und eilt mit großen Schritten von rechts nach links und zurück. Immer wieder.
Wenn Tim Brennan das Akkordeon umschnallt und Jeff DaRosa ganz in seinem Banjo-Spiel aufgeht, ist noch mehr Trubel auf der Bühne. Und dann kennt auch der Saal kein Halten mehr. Wie beim „Prisoner’s Song“ vom soeben erschienenen achten Album. Da steht die Halle Kopf und wackeln die Tribünen bedrohlich.
Der Auftritt des Bostoner Septetts steht ganz im Zeichen der neuen, gewohnt kneipentauglichen Platte. Wie erwartet reihen sich Lieder wie der Opener „The Boys Are Back“ oder „Rose Tattoo“, der ideale Song für die nächste Seereise mit einem Piratenschiff, bestens ins Band-Portfolio. Genauso wie „Jimmy Collins‘ Wake“, das beschwingt-luftige Gedenken an einen Baseball-Spieler, das durchaus karnevalistisch anmutende „Out of Our Heads“ oder der Tempowahnsinn „Burn“.
Den „Worker’s Song“ von Ed Pickford setzen sie in Düsseldorf einem Experiment aus. Laut Ken Casey, dem Bassisten und zweiten Sänger, sei das Stück vom Album „Blackout“ noch nie akustisch von ihnen gespielt worden. Der Versuch gelingt locker. Unterstützung hat die Band bei „I’m Shipping Up to Boston“: Frank Turner, der als Support eine grandiose Show abgeliefert hat, fällt beim Chaos auf der Bühne allerdings kaum auf.
Allgegenwärtig dagegen sind die obligatorischen Traditionals. Das irische Volkslied „The Irish Rover“ hüllt die Band in ein rasantes und energievolles Kleid. Auch zwei Cover-Songs finden den Weg ins Set: „Working“ von den britischen Oi!-Punks Cock Sparrer und „TNT“ von AC/DC als Rausschmeißer halten sie ganz nah an den Originalen.
Kurz vor Ende hauen die Musiker noch „End of the Night“, eine Ode ans Kneipenleben und musikalisch ein zweites „Kiss Me, I’m Shitfaced“ raus. Ebenso wie in der Vergangenheit bei letzterem dürfen auch hier die Fans in Scharen auf die Bühne. Ken Casey dagegen zieht es ins Publikum. Sich am Wellenbrecher haltend manövriert er zum Abschluss mit ergreifendem Gesang das Murphys-Raubschiff ins bierselige Schunkelwasser. Ein berührender Moment.
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