Enter Shikari / Köln / 22.1.2013
Rou Reynolds, Sänger der britischen Post-Hardcore-Band Enter Shikari, hat beim Konzert seiner Band in der Kölner Live Music Hall viel Arbeit. Einerseits steht er schreiend und tobend am Bühnenrand, andererseits hat er im Hintergrund ein mächtiges Synthesizer-Konstrukt zu bedienen, das mit seinen blinkenden Lämpchen und zuckenden Lichtern auch der Enterprise-Brücke gut gestanden hätte. Allerdings hätte Captain Kirk einen solch energisch-rauen und mitreißenden Auftritt an Bord wohl konsequent mit Phaser-Einsatz bestraft.
Von den ersten Klängen an macht das Quartett keinen Hehl über die Marschrichtung des Konzert-Abends. Der bisweilen chaotisch klingende Band-eigene Musikstil aus Hardcore, Punk und massiven Electro- und Techno-Einflüssen verlangt nach einer ebenso gestalteten Show, in der Reynolds Kung-Fu-Tritte setzt, wie ein rotierender Propeller umherhüpft und über den Boden rutscht. Ein Wunder, dass er und seine ebenso euphorisch aufgeladenen Mitmusiker an Gitarre und Bass, bei ihren akrobatischen Einlagen nicht von der schmalen Bühne stürzen.
Obwohl zwischen Band und Publikum nicht einmal zwei Meter liegen, scheint der Abstand den Twens aus dem britischen St. Albans noch zu groß: Keine fünf Minuten ist das Konzert alt, da klettert Gitarrist Rory Clewlow zu den Fans und lässt sich auf Händen tragen, während er weiter auf seinem Instrument spielt. Nur wenige Augenblicke später ist Reynolds an der Reihe. Die Fans umschlingen ihn mit ihren Hände, recken ihm die Handys entgegen und wollen ihn gar nicht mehr gehen lassen. Damit auch die Zuhörer weiter hinten etwas von ihm haben, taucht der Sänger schließlich auf einer der Getränketheken auf, um den nächsten Song zu bellen. Zurück zur Bühne geht’s als Crowdsurfer kraulschwimmend wie einst Mark Spitz über die Köpfe der ihn tragenden Fans hinweg.
Sechzehn Nummern haben die 2003 gegründeten Enter Shikari mitgebracht nach Köln. „Destabilise“ zum Beispiel, eine wütende Kampfansage gegen den Kapitalismus, bei der das Schlagzeug nur so poltert und das durchsetzt ist von effektvollem Computergeziepe und Synthie-Gequietsche. „Return to Energiser“ prescht mit erbitterten Shouts und stakkato-artigen Riffs nach vorne, stellt diesen eingeschobene Trance-Elemente und elegischen Gesang gegenüber. „Juggernauts“ hat etwas von „Lord of the Dance“ auf Speed, präsentiert sich mit Mike-Skinner-Gedächtnis-Rap und 80er-Jahre-Revival-Refrain und löst einen Begeisterungssturm in der Affenhitze der Live Music Hall aus.
Einer der Höhepunkte der Show ist das vergleichsweise gediegene „Warm Smiles Do Not Make You Welcome Here“, das die Fans fleißig mitintonieren. Zeit zum Verschnaufen bietet zumindest in der ersten Songhälfte „Gap in the Fence“ mit Akustikgitarre, schwermütigem Gesang und Wunderkerzen im Publikum. Eine Pause ist auch bitter nötig, ehe die Nummer zum brodelnden Tanzflächenknüller ausartet und für schweißklebende T-Shirts und nass-triefende Haarschöpfe sorgt.
Zum Ende des regulären Sets landet schließlich das „Mothership“ voller Elektrospielereien und mit stampfendem Beat, um die vier Hardcore-Astronauten wieder abzuholen. Zur Zugabe „Constellations“ beamen sich Reynolds und Kollegen aber noch einmal zurück und beginnen ihren hymnischen Song mit einer Synthie-Klimperei, die, wie sollte es auch anders sein – ans Enterprise-Thema erinnert.