James Blunt / Oberhausen / 5.3.2014
Wenn er da so steht mit seiner Gitarre in der Hand auf der viel zu großen Bühne der Arena in Oberhausen oder fast schon schüchtern am Klavier Platz nimmt, dann wirkt James Blunt wie ein Anti-Star, ein Normalo, der sich gerne in Jeans und Karohemd kleidet und der genauso gut in der Studentenmensa mit Tablett vor einem in der Schlange stehen könnte.
An diesem Abend hat sich der kürzlich runde 40 Jahre alt gewordene Brite in einen Overall geschmissen. Soll ja schließlich alles passen bei seiner nach der aktuellen Platte benannten „Moon Landing“-Tour. Und so kommt man sich insgesamt ein wenig vor wie im Weltall bei der extraterrestrisch anmutenden Dekoration inklusive kleiner Podeste, auf denen die vier Bandmitglieder platziert sind und die auch als Teil einer Raumsonde durchgehen würden. Nein, trotz der auf einer Riesenleinwand eingespielten Bilder von Astronauten, startenden Raketen und Raumschiffinnereien plus von der Decke strahlender Spots, die auch von einem landenden Ufo stammen könnten, so ganz will Blunt als All-Reisender nicht funktionieren. Aber, wer hätte auch gedacht, dass der Sänger vor seiner Karriere als Musiker für die britische Armee im Kosovo gedient hätte? Oder, dass er auf Ibiza ein Haus besitzt? Damit allerdings wären die Diskrepanzen in Sachen Schein und Sein abgehakt.
Denn sobald die ersten Klänge ertönt sind, verschmelzen Songs und Sänger zu einer Einheit. Aus dem zurückhaltenden James Blunt, der zur Begrüßung noch artig winkt, während er ein Fläschchen Sprudel mit sich herumträgt, wird an Tasten, Saiten und solo am Mikro im Rhythmus der Band ein Showstar, der ein Abo auf Top-Platzierungen in den Charts gebucht hat und auch live sein Publikum mit wenig Schnickschnack und ohne große Gesten um den Finger wickelt.
9.000 Fans – zugegeben, meist weiblichen Geschlechts – sind in die Arena gepilgert, um ihrem Liebling an den Lippen zu kleben, wenn er sein Innerstes nach außen kehrt und in einem Meer aus Gefühlen badet. Als Balladenbarde macht er die beste Figur. Da lauschen die Damen, Teenie-Fans findet man nur mit Mühe, ehrfurchtsvoll der markanten Stimme, die vor allem in den tieferen Tonlagen eindrücklich rüberkommt, intonieren einem Kirchenchor gleich die Refrains und geraten bei den ersten Klängen eines neuen Songs immer wieder mit lauten Ahs und Ohs ins Schwelgen. Vor allem beim größten Hit des Briten, „You’re Beautiful“, sind die Fans aus dem Häuschen. Im komplett bestuhlten Rund sitzt keiner mehr.
Dass James Blunt sich beim zärtlichen Geschrammel in „Carry You Home“, purem Herzschmerz in „Sun on Sunday“ und der Tränensackpresse „Goodbye My Lover“ auf Dauerkurs haarscharf am Kitsch vorbeimanövriert: geschenkt. Seine Popmusik ist stark arrangiert und so wunderbar melodiös, dass man dem Sänger verzeihen mag, dass inhaltlich nicht viel mehr als zwischenmenschliche Befindlichkeiten thematisiert werden. Und auch, dass in hohen Gefilden seine Stimme immer wieder bricht. Das mag er als Stilmittel einsetzen, irgendwann aber ist das störend.
Bei den fetzigen Nummern passiert das nicht. Die kann James Blunt übrigens auch ziemlich gut: „Heart to Heart“ ist eine Feel-Good-Nummer, „Same Mistake“ trotz verpatztem Einsatz ein sich druckvoll steigernder Ohrwurm. Bei „Postcards“, das musikalisch ganz klar Jack Johnson zitiert, tänzelt Blunt mit Ukulele im Arm leichtfüßig über die Bühne als wäre sie ein heißer Sandstrand, bei „So Long, Jimmy“ kehrt der Musiker nach 75 Minuten zum Abschluss des regulären Sets den Rocker raus.
Danach bringt Blunt noch drei Zugaben: die Hits „Stay the Night“, „1973“ und das sich ungeniert an Mumford & Sons labende „Bonfire Heart“, eines der am meisten erwartete Stücke des Abends. Zu recht, beim stampfenden Rhythmus sind jetzt auch die Herren mit von der Partie.