Scorpions / Köln / 1.5.2014
Nur weil „Unplugged“ draufsteht, heißt das nicht, dass es ruhig und bedächtig zugeht beim Auftritt der Scorpions in der Kölner Lanxess-Arena. Ok, Headbanger haben es an diesem Abend schwer. So richtig will das Haarschopfschütteln zu den neu arrangierten Songs der Hannoveraner Hard-Rocker nicht passen. Bei 18 Musikern auf der Bühne und bisweilen opulent ausgearbeiteten Songs darf aber durchaus gezappelt werden.
Die Musiker sitzen. Das alleine ist schon ein wenig befremdlich für ein Rock-Konzert. Erst recht, wenn man weiß, wer da hockt und was für energiegeladene Shows Klaus Meine, Rudolf Schenker und Co. in 49 Jahren Bandgeschichte rund um den Globus abgeliefert haben. Eigentlich wollte die Band die Mikros längst und für immer ausgestöpselt und die Gitarrenkoffer in die Ecke gestellt haben. Schön ist es dagegen, dass sie geblieben ist und mit ihrem Unplugged-Konzept, das erstmalig im vergangenen Jahr in Athen zur Aufführung kam, jetzt auch in Deutschland in die Verlängerung geht.
Deutschlands erfolgreichster Rockmusik-Export importiert in Köln und bei drei weiteren Auftritten: Es ist zwar nicht die Akropolis, die in der Lanxess-Arena zur Nachbildung kommt, dafür versprüht das Set inmitten aufgestellter Marmorsäulen-Imitaten und an die Leinwand geworfenen Antik-Malereien zumindest einen Hauch von griechischem Flair. Die Aura, die das Unplugged-Mutterkonzert im Lykabettus-Theater unter freiem Himmel im vergangenen Jahr verströmte, ist in die Kölner Multifunktionalhalle allerdings nur schwerlich zu übertragen. Klaus Meine ist deswegen auch ein wenig nervös: In Athen sei es ganz chillig gewesen, gibt er an. „In der großen Arena ist das schon ganz anders.“
Viele Fans – die meisten Zuhörer werden die Scorpions noch aus ihren Anfangstagen kennen – wissen mit der ungewohnten Situation offensichtlich nicht so recht umzugehen und geben sich zurückhaltend – auch, wenn es um Applaus geht. Die Scorpions ziehen ihre Show routiniert durch. Wer die Griechenland-Setlist kennt, weiß in etwa, was auf ihn zukommt. Höhepunkt des Konzerts ist „Drum Athenica“, das Battle zwischen Ersatz-Schlagzeuger Johan Franzon und Percussionist Pitti Hecht. Wie die beiden Musiker sich da minutenlang an ihren Instrumenten duellieren und schließlich gemeinsam eine Trommel-Wand errichten, ist schlichtweg beeindruckend.
James Kottak, seit 1996 Drummer bei den Scorpions, hätte sicher auch eine gute Figur abgegeben. Der US-Amerikaner hockt an diesem Abend aber wahrscheinlich noch immer in Dubai fest, nachdem er auf dem Flughafen des Emirats ausfallend geworden sein soll. Ihn ersetzt der Schwede Johan Franzon. Klaus Meine geht auf den Zwischenfall nicht ein, lässt die Rotation das aus der Not geborenen Personalkarussell für sich stehen. Stattdessen konzentriert sich der 65-jährige Sänger auf das Set, das die großen Hits neu verpackt, live meist vernachlässigte oder zuvor nie vor Publikum interpretierte Stücke auf die Bühne holt und auch neues Material bereithält. Gesangliche Unterstützung gibt es von zwei Gästen: Mit Johannes Oerding (Meine: „Der ist gerade sehr angesagt bei den Kids.“), der bei „Hit Between the Eyes“ und „Rock You Like a Hurricane“ zu Klaus Meine stößt, können die Scorpions-Fans gar nichts anfangen. Die Hamburger Singer-Songwriterin Cäthe dagegen kommt mit ihrer Rockröhre als Duettpartnerin in „In Trance“ und „When You Came into My Life“ bestens an.
Vor allem die Ballade – die Ausgangslage bietet es förmlich an – ist in Köln präsent und wird mit viel Streichereinsatz gefeiert. „Send Me an Angel“ ist ganz nah an der Originalkomposition, „Where the River Flows“ kokettiert dank Steel Guitar und Mundharmonika mit den amerikanischen Südstaaten, „The Best Is Yet to Come“ verliert durch seine instrumentale Reduzierung nichts an seiner Hymnenhaftigkeit. Schon in der Urversion harte Stücke wie etwa „Blackout“ oder „Pictured Life“ bleiben auch unplugged rockig. In die gleiche Richtung orientieren sich die neuen Stücke „Dancing with the Moonlight“ und „Rock ’n‘ Roll Band“.
Meine, Schenker und der zweite Gitarrist, Matthias Jabs, haben zudem ihre Solo-Momente. Letzterer bleibt instrumental und versprüht mit „Delicate Dance“ mit starken Fingerfertigkeiten an den Saiten entspannte Klänge. Rudolf Schenker hat nach Meines Bekunden mehr als 100 Jahre vor den Unplugged-Shows nicht mehr auf der Bühne gesungen. Bei „Love is the Answer“ ist die Zeit gekommen, weitere 100 Jahre Wartezeit hätten aber auch nicht geschadet. Nur wenige Augenblicke später nämlich zeigt Klaus Meine an der Akustikgitarre bei „Follow Your Heart“ wie man’s richtig macht. Stimmlich macht ihm niemand etwas vor. Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte meinen, das käme aus der Konserve. Stark.
Stark ist auch das Ende des Konzerts. Als Zugaben kommen Schlag auf Schlag „Wind of Change“, „Still Loving You“ und „Rock You Like a Hurricane“. Bei den Klassikern wird das Unplugged-Set doch noch zum waschechten Rockkonzert. Die Fans singen, sie klatschen frenetisch und feiern ihre Hard-Rock-Helden. Auch ohne Strom und Stecker.